Als russische Truppen in die Ukraine einmarschierten, flohen über 7,5 Millionen Menschen über die Grenze nach Polen. Dort halfen Tausende Freiwillige, sie in Wohnungen, Schulen und Unternehmen unterzubringen.
Noch immer ist kein Ende des Konflikts in Sicht. Deshalb steht Polen nun vor einer neuen Herausforderung: Das Land muss die Flüchtlinge längerfristig integrieren.
„Zehn Monate nach Kriegsbeginn haben sich die Bedürfnisse der Flüchtlinge geändert“, erklärt Grzegorz Gajda, der als Experte für Stadtentwicklung bei der EIB arbeitet und zu Hause in Polen fünf ukrainische Flüchtlinge aufgenommen hatte. „Sie brauchen Arbeit, ein stabiles Einkommen und kostenlosen Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung und öffentlichen Dienstleistungen, um ein neues Leben in Polen aufzubauen.“
Für die Integration der ukrainischen Flüchtlinge hat die EIB im Juni einen Kredit über zwei Milliarden Euro unterzeichnet. Das Geld wird aus dem Solidaritätspaket für die Ukraine bereitgestellt, das die EIB gemeinsam mit der Europäischen Kommission geschnürt hat.
Die neue Realität
Seit Kriegsbeginn hat Polen mehr als 1,5 Millionen ukrainische Flüchtlinge aufgenommen. Es kamen so viele, dass Rzeszów, die größte Stadt im Südosten Polens, nun 50 Prozent mehr Einwohner hat. In Warschau hat die Bevölkerung um 15 Prozent zugenommen, in Krakau sind es 23 Prozent und in Danzig 34 Prozent.
Ukrainische Flüchtlinge können legal überall in der Europäischen Union leben und arbeiten. Sie haben auch Anspruch auf die gleichen Leistungen wie polnische Staatsbürger, etwa auf Krankenversicherung, kostenlose öffentliche Bildung und Kindergeld.
Doch diese neue Realität setzt die lokalen Behörden unter Druck. Angesichts der vielen Flüchtlinge, die bis Kriegsende in Polen bleiben und dort auch arbeiten wollen, müssen sich die Kommunen entsprechend aufstellen.
„Wenn das anfängliche Engagement der Einheimischen nachlässt und die Ressourcen erschöpft sind, muss eine grundsätzliche Lösung her“, meint Tomasz Balawajder, Jurist bei der EIB. „Der öffentliche Sektor muss effizient funktionieren und den Städten und Gemeinden sowie den Flüchtlingen finanziell und mit Sozialleistungen unter die Arme greifen.“
Hilfe bei der Integration
Die Integration von Millionen Flüchtlingen erfordert Zeit, Geld und eine gute Planung. Dabei geht es auch um neue Infrastruktur.
Deshalb hat die polnische Regierung schon knapp einen Monat nach Kriegsbeginn den Aid Fund eingerichtet, aus dem Aktivitäten und Projekte finanziert werden, die zur Unterstützung und Integration ukrainischer Flüchtlinge notwendig sind. Verwaltet wird er von der Bank Gospodarstwa Krajowego (BGK).
Die EIB hat bereits 600 Millionen Euro an den Aid Fund ausgezahlt. Das war die erste Tranche von zwei Milliarden Euro, die die Bank für den Fonds bereitstellen will. Die BGK verteilt die Mittel an Kommunen und öffentliche Einrichtungen, die ukrainische Flüchtlinge aufnehmen.
„Wir brauchten eine neue Art der Zusammenarbeit, um Mittel für ganz unterschiedliche Maßnahmen und Aktivitäten zu mobilisieren, die den ukrainischen Flüchtlingen helfen, in Polen anzukommen“, so Robert Faliński, Direktor des Fund Managing Office bei der BGK.
Für ein neues Zuhause
Frauen und Kinder leiden enorm unter dem Krieg. Trotzdem gehen die Kinder zur Schule. Und die Frauen arbeiten und versuchen, ihren Angehörigen und Freunden in der Ukraine so gut wie möglich zu helfen.
„90 Prozent der Flüchtlinge in Polen sind Frauen und Kinder“, erklärt Vasco Amaral Cuhna, der bei der EIB für Finanzierungen im öffentlichen Sektor in Polen zuständig ist. „Deshalb geht es bei unserem Solidaritätspaket auch in erster Linie um die Grundbedürfnisse von Frauen und Kindern.“