Therapien werden immer gebraucht
Zu den wichtigsten Unternehmen, die Coronatherapien erforschen und Kredite von der EIB bekommen, gehören Atriva, Immunic, Pluristem und AB Science. Mit ihren Medikamenten werden Menschen behandelt, die mit einer schweren Covid-19-Erkrankung im Krankenhaus liegen.
Atrivas aussichtsreichster Arzneimittelkandidat ATR-002 soll die Viruslast von RNA-Viren wie Covid-19 und Influenza verringern und die Ausbreitung schwerer Atemwegsinfektionen verhindern. Das Medikament in Tablettenform hat in präklinischen Studien vielversprechende Ergebnisse gezeigt. Es könnte die dringend benötigte Hilfe für stationäre Patientinnen und Patienten mit Coronavirus-Symptomen bringen.
Das Corona-Medikament von Atriva wirkt an zwei Fronten: Es stoppt die Vermehrung des Virus und verhindert eine Überreaktion des körpereigenen Immunsystems. „Diese Doppelwirkung dürfte äußerst effektiv sein“, meint Olaf Althaus, Finanzvorstand des Unternehmens, das im Oktober von der EIB 24 Millionen Euro bekam. „Wir sind sehr optimistisch, dass ATR-002 gegen die Pandemie hilft.“ Atriva will ein antivirales Breitbandmedikament entwickeln, das auch gegen weitere Mutationen von Covid-19 und neue RNA-Viren wirkt.
Im Oktober gingen außerdem 24,5 Millionen Euro an Immunic, das an einem ähnlichen Medikament arbeitet: IMU-838. Dieses Mittel, ebenfalls in Tablettenform, hat ein breite antivirale Wirkung. IMU-838 wird gerade in einer Phase-2-Studie an stationären Covid-19-Erkrankten mit mittelschwerem Verlauf getestet. Auch die Wirkung gegen chronisch entzündliche und Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose wird derzeit untersucht.
„Schon als Corona im Februar pandemische Ausmaße erreichte, kam uns die Idee, dass unser Medikament gegen das Virus helfen könnte“, erklärt Hella Kohlhof. Die Immunologin und Onkologin ist Chief Scientific Officer von Immunic. „Wir wussten aus präklinischen Experimenten, dass es bereits gegen Hepatitis C, HIV und noch ein paar Viren wirkt.“
Was als zusätzliches Projekt begann, hat für Immunic inzwischen absolute Priorität. „Wir hatten wirklich das Gefühl, etwas tun zu müssen“, bekräftigt Kohlhof. „Das Medikament war ja da, und wir wussten, dass es funktionieren könnte. Da konnten wir doch nicht die Hände in den Schoß legen.‘“
IMU-838 von Immunic mindert den Schweregrad von Infektionen wie Covid-19 auf mehreren Wegen. Es verhindert die Virusvermehrung, regt das Immunsystem an und kann zudem eine Überreaktion bei schweren Infektionen verhindern.
Das Produkt von Immunic gibt den Zellen im Körper Anweisungen. „Wenn ein Virus die Zellen in unserem Körper infiziert und sich vermehren will, dann sagen die Zellen ganz nett: ‚Kein Problem, wir schalten um und helfen dem Virus‘“, erläutert Kohlhof. „Und plötzlich sind da massenhaft Zellen, die das Virus-Erbgut kopieren. Das Virus kapert sozusagen unsere Zellen. IMU-838 blockiert diesen Mechanismus und hemmt dazu das Enzym, das die Produktion der ‚netten‘ Bausteine unterstützt. Es ist perfekt: IMU-838 blockiert nur die infizierten Zellen, nicht die anderen.“
AB Science bekam im November 15 Millionen Euro für die klinische Entwicklung von Masitinib. Das Medikament in Pillenform hat möglicherweise antivirale und entzündungshemmende Wirkung. Es könnte vor allem Menschen mit lebensbedrohlichen Covid-Erkrankungen helfen, darunter gegen den sogenannten Zytokinsturm, eine Überreaktion des Immunsystems auf die Infektion. Yu Zhang, Experte für Biowissenschaften und Biotechnologie bei der Europäischen Investitionsbank, erläutert dazu: „Die Forschungsergebnisse von AB Science könnten gegen Entzündungskrankheiten, neurodegenerative Erkrankungen, Infektionskrankheiten und Krebs helfen. Deshalb ist es gut möglich, dass wir das Unternehmen künftig noch öfter unterstützen.“
Die in der Therapieentwicklung tätigen Unternehmen hoffen, dass ihre Forschung gegen viele unterschiedliche Krankheiten hilft. Medikamente werden immer gebraucht, so viel steht fest. Auch wenn es irgendwann Impfstoffe gibt.
„Erstens will nicht jeder geimpft werden“, weiß Althaus von Atriva. „Zweitens wird es immer Fälle geben, bei denen die Impfstoffe nicht wirken oder nicht eingesetzt werden können. Auch nach der Einführung des Airbags werden noch Krankenwagen benötigt.“
Plazentazellen in der Therapie
Das israelisch-deutsche Unternehmen Pluristem, das im April mit der EIB einen Vertrag über 50 Millionen Euro unterzeichnete, geht einen anderen Weg. Zur Behandlung schwerer Infektionen setzt die Firma Plazentazellen ein, die stärksten Zellen im menschlichen Körper.
Pluristem züchtet die Zellen in einem 3D-Bioreaktor, der die Bedingungen im menschlichen Körper nachahmt. Sie werden dem Patienten injiziert und helfen dem Organismus, sich selbst zu regenerieren. Mit dieser Methode lassen sich Corona-Erkrankte mit Komplikationen wie Lungenhochdruck, Lungenfibrose oder akuten Nierenschäden und Magen-Darm-Störungen behandeln.
Für das Verfahren wird die Plazenta von Frauen unter 35 Jahren verwendet, die einen reif geborenen, gesunden Säugling per Wunschkaiserschnitt zur Welt gebracht haben. „Mit diesen Zellen können wir anderen Menschen helfen“, sagt Auvo Kaikkonen, Experte für Biowissenschaften bei der Bank.
Ganz wichtig: Testen
Aus den Covid-19-Lockdowns haben wir unter anderem gelernt, wie wichtig es ist, die Ausbreitung der Krankheit zu verfolgen. Schon vor der Pandemie förderte die Europäische Investitionsbank zwei Molekulardiagnostik-Unternehmen: Mobidiag, das in Finnland und Frankreich tätig ist und moderne Testverfahren erforscht, und Curetis aus Deutschland, dessen Plattform die richtigen Antibiotika zur Behandlung bakterieller Sekundärinfektionen ermittelt und damit für die Behandlung vieler Corona-Erkrankten unverzichtbar ist.