Magdalena Staniszewska und Marcin Staniszewski haben ein Gerät entwickelt, das die Diagnose von Brustkrebs revolutionieren könnte. Dabei ging es zunächst gar nicht um Brustkrebs. Es fing mit dem Auge an ... und der NASA.
Das war im Jahr 2012. Staniszewska arbeitete als Immunchemikerin und passionierte Zellbiologin am renommierten Pierce Lab der Harvard Medical School in Boston und forschte dort zu Augenkrankheiten. Staniszewski hatte gerade ein Ingenieurstudium an der University of Akron in Ohio abgeschlossen. Zusammen mit der NASA arbeitete er an einem Projekt zum Einsatz neuer Verbundwerkstoffe in Raketentriebwerken und befasste sich auch mit Anwendungsmöglichkeiten für Glasfasertechnologien in der Raumfahrt.
Beim Abendessen drehten sich die Gespräche des Paars meist um die Wissenschaft. Gemeinsam kam man auf den Gedanken, die Photonik in der Medizin einzusetzen: Könnte man nicht mit optischen Verfahren Marker für verschiedene Krankheiten erkennen, ohne dafür Zellen oder Gewebe zu entnehmen? Mit Glasfasertechnologien sollte es gelingen, Biomarker etwa für Tumore in Echtzeit im Körper zu messen.
„So kamen wir auf die Idee für ein neuartiges Diagnosegerät, mit dem sich etwas in echtem, lebendem Gewebe messen lässt“, erinnert sich Staniszewska.
2013 gründete das Paar SDS Optic und ging zurück nach Polen. Ursprünglich wollten sich die beiden auf Augenkrankheiten konzentrieren, aber schon bald schwenkten sie um auf Brustkrebs.
„Der Krebs zog unsere Aufmerksamkeit auf sich, weil es da einen großen Bedarf gibt“, erklärt Staniszewska, die Chief Science Officer der Firma ist. Die Fallzahlen gingen weltweit nach oben, selbst bei jungen Frauen. „Das war wirklich beängstigend und berührte mich natürlich auch selbst.“
Seit zehn Jahren arbeitet SDS Optic nun an seinem Diagnosegerät inProbe. In weniger als einer Stunde lässt sich damit der aggressive HER2-positive Brustkrebs erkennen. Bei einer herkömmlichen Biopsie warten die Frauen oft Tage oder Wochen auf das Ergebnis. HER2 ist ein Rezeptor auf der Oberfläche von Tumorzellen – ein Protein, das ein schnelles Krebswachstum fördert. Beim HER2-positiven Krebs ist die Zahl dieser Rezeptoren auf den Tumorzellen erhöht. Eine frühzeitige Diagnose verbessert den Erfolg von Therapien, die in letzter Zeit entwickelt wurden.
Brustkrebs ist mit rund 2 Millionen Neuerkrankungen und über 650 000 Todesfällen pro Jahr der häufigste Krebs bei Frauen, sagt Rebecca Verdin-Pol, Investment Officer im Bereich Life Sciences und Biotechnologie bei der Europäischen Investitionsbank. Die EIB unterstützt SDS Optic mit einer Venture-Debt-Finanzierung über zehn Millionen Euro, die mit einer Garantie unter dem Förderprogramm InvestEU abgesichert ist.
„Eine Echtzeit-Diagnose mit sehr hoher Genauigkeit wäre wirklich bahnbrechend“, so Verdin-Pol.
Krebsdiagnose ohne Biopsie
Bei einer Biopsie wird eine Gewebe- oder Zellprobe entnommen und zur Diagnose an ein Labor geschickt. Dort wird untersucht, ob und – wenn ja – welcher Krebs vorliegt. Das kann Tage oder sogar Wochen dauern, wenn die Kapazitäten knapp sind. Herkömmliche Biopsien bergen außerdem ein weiteres Risiko: Bei der Entnahme des Gewebes kann es passieren, dass Krebszellen an andere Körperstellen gelangen.
inProbe funktioniert anders:
- Eine sehr dünne Nadel mit einem Glasfasersensor in Nanogröße wird in der Nähe des Tumors oder der potenziellen Krebszellen eingeführt. Der haardünne Sensor misst, ob ein bestimmter Biomarker vorhanden ist. Damit ist das Verfahren sicherer und deutlich weniger schmerzhaft und invasiv als eine herkömmliche Biopsie.
- Die gesammelten Daten werden per Glasfaser an ein Gerät geleitet, das die Daten auswertet und auf dieser Grundlage eine Diagnose stellt.
- Bei der Therapie kann inProbe anhand der Biomarker-Daten angeben, ob eine Behandlung etwa mit dem monoklonalen Antikörper Trastuzumab sinnvoll wäre.
Tom Andersen, Principal Advisor im Bereich Life Sciences und Gesundheit bei der EIB, hält die Sofortdiagnose mit inProbe für eine große Verbesserung gegenüber herkömmlichen Biopsien, die in bis zu 40 Prozent aller Fälle falsche Ergebnisse liefern. Die Schnelligkeit und Genauigkeit des minimalinvasiven Verfahrens sei bahnbrechend.
„Wenn man an dem Gewebe herumschneidet, irritiert das den Tumor“, sagt er. „Mit der neuen Technologie lässt sich das vermeiden, und das ist ein großer Fortschritt.“