Lebenswichtige Energienetze
Die Öresund-Brücke ist ein Vorzeigeprojekt des TEN-V. Doch was ist mit den transeuropäischen Energienetzen, die die Menschen überall in Europa mit Strom und Gas versorgen?
Ein 8,5 Kilometer langer Tunnel unter den Pyrenäen weist den Weg in die Zukunft der Energieintegration. Der Tunnel ist Teil einer 63 km langen Stromverbundleitung zwischen dem spanischen Santa Llogaia in der Nähe von Figueres und der französischen Gemeinde Baixas bei Perpignan. Mit der Fertigstellung des gemeinsamen Projekts von RTE und REE, dem französischen und dem spanischen Stromnetzbetreiber, verdoppelte sich im Jahr 2015 die Stromaustauschkapazität zwischen der iberischen Halbinsel und dem übrigen Europa auf 2 800 Megawatt. Der Austausch von Stromüberschüssen aus erneuerbaren Energiequellen wie Wind- und Wasserkraft, die effizientere Nutzung von Gas- und Kernkraftwerken und die höhere Versorgungssicherheit bringen Vorteile für beide Seiten. Die Verbundleitung war die erste grenzüberschreitende Stromleitung in Europa, die eine innovative Technik zur Umwandlung von Wechselstrom in Gleichstrom verwendet. Diese bietet gegenüber herkömmlichen Verfahren erhebliche Vorteile: Die Kabel haben ein geringeres Gewicht und sind einfacher zu installieren, und die Umwandler ermöglichen einen flexibleren Betrieb der Verbundleitung. Fast die Hälfte der Kosten von 721 Millionen Euro wurde von der EIB finanziert.
Investitionen in die Energieinfrastruktur sind kapitalintensiv. Dennoch sind sie für die EU von entscheidender Bedeutung, um die Integration der Energiemärkte voranzubringen und die Energie- und Klimaziele zu erreichen. Zugleich sind sie eine wichtige Voraussetzung für die Wirtschaftsstrategie der EU, wonach Verbraucher durch neue Technologien befähigt werden sollen, Energie intelligenter und sparsamer zu nutzen. Die Vorteile einer vollständigen Marktintegration bis 2030 werden nach einer im Auftrag der Europäischen Kommissiondurchgeführten Studie auf 30 Milliarden Euro jährlich für die Gasmärkte und auf 40 Milliarden jährlich für die Strommärkte beziffert. Die EIB hat seit dem Jahr 2000 Darlehen im Umfang von 19 Milliarden Euro für EU-Projekte von gemeinsamem Interesse bereitgestellt, die zur Integration der Energiemärkte beitragen. Davon entfallen 7,4 Milliarden Euro auf den Ausbau der grenzüberschreitenden Stromübertragungskapazitäten und 11,6 Milliarden Euro auf das Gastransportnetz. Hauptaufgabe der Bank in diesem wichtigen Sektor ist es, den Ausbau der Infrastruktur zu unterstützen. Die EIB beteiligt sich an Projekten, die Wachstum fördern und zu einer sicheren Energieversorgung sowie zu einer nachhaltigen Erzeugung und Nutzung von Energie in den europäischen Märkten beitragen. „Diese Bemühungen sollen sicherstellen, dass jeder bezahlbare, saubere, belastbare und nachhaltige Energiesysteme nutzen kann“, sagt Nicola Pochettino, Leiter der Abteilung Stromnetze der EIB.
Während die EU daran arbeitet, die verschiedenen nationalen Energievorschriften zu harmoniseren, unterstützt die EIB durch ihre Tätigkeit die Länder dabei, diese Vorschriften umzusetzen. Es nützt nichts, den Verbrauchern und Unternehmen das Recht auf Anbieterwahl einzuräumen, wenn keine Rohre und Kabel zur Verfügung stehen, die ihnen diese Wahl ermöglichen. Das muss vor allem in den weniger integrierten Regionen Europas bedacht werden. Nach dem Bau der Verbundleitung zwischen Santa Llogaia und Baixas hat sich die kommerzielle Austauschkapazität zwischen Spanien und Frankreich verdoppelt. Doch werden weitere Verbundleitungen benötigt, um die EU-Ziele zu erreichen.
Verbundleitungen senken Preise
In Südeuropa haben solche Projekte eine enorme Bedeutung. Noch wichtiger sind sie jedoch für die baltischen Staaten, da diese weiterhin an die alten Stromnetze der Russischen Föderation angeschlossen sind und in hohem Maße von russischen Gaslieferungen abhängen. In der gegenwärtigen politischen Lage stellt dies ein Risiko für ihre Energiesicherheit dar. Die EIB finanziert eine Reihe von Projekten, durch die die baltischen Staaten vollständig in den EU-Binnenmarkt integriert werden sollen. In Klaipėda hat die EIB ein Terminal für den Import von Flüssigerdgas und die erforderliche Gaspipeline zur Verbindung des Terminals mit Litauens Gasnetz mitfinanziert. Das Terminal und die Pipeline tragen dazu bei, die Abhängigkeit Litauens von russischem Gas zu verringern – in diesem Fall ist die Versorgung von See aus möglich. Weitere Investitionen in das Pipelinenetz, wie die von der EIB finanzierte 110 km lange Pipeline zwischen Klaipėda und Kursenai in Litauen, sind ein wichtiger Schritt, um sicherzustellen, dass auch Lettland und Estland eine Alternative zu russischem Gas erhalten. Der Wettbewerb, der durch dieses zusätzliche Angebot entstanden ist, hat zum Beispiel wesentlich dazu beigetragen, dass die russischen Erdgaspreise für Litauen um 20 Prozent gesunken sind.
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